Mittwoch, 12. Juni 2013

Die natürlichste Sache der Welt - ein Update

Die ersten Wochen mit dem Stillen habe ich ja bereits hier ausführlich geschildert. Ihr erinnert Euch ... Alles nicht ganz so traumhaft und harmonisch wie das die Hipp-Folgemilch-Werbung so suggeriert. Mein Kind hat selten so sanft und zart an der Brust genuckelt. Aber Purzel ist, was das Futtern angeht, auch eher ein kleiner Graf Dracula gewesen.

Nun ist Purzel ja schon ein bisschen älter und ich auch mit dem Stillen versöhnt. Die Schmerzen sind weg. Bis auf ein Ziepen beim Milcheinschuss merke ich vom Stillen kaum noch etwas. Aber das Ziepen hat auch was Gutes für sich, so kann ich schon das Stofftuch zum Auffangen der Milchfontänen bereithalten. Denn viel Milch und einen starken Milchfluss habe ich immer noch. Ich frage mich wie Purzel, das alles weg trinkt. Ich stelle mir das im Erwachsenen-Maßstab in etwa so vor: Haltet mal beim nächsten Duschvorgang den Brausekopf direkt vor den Mund, voll aufdrehen und alles runterschlucken. Also mein Kehlkopf käme da nicht hinterher. Schon erstaunlich, was ein Säugling so mitmachen muss, um nicht zu verhungern.

Ansonsten hatten wir in den letzten Monaten beim Stillen ganz unterschiedliche Phänomene:

Brustanschreiphase:
Es gab Tage, da war Stillen kein Spaß. Purzel hatte Hunger, wollte aber nicht trinken. Nach den ersten Schlucken hat sie wie am Spieß geschrien. Das ist richtig heftig. Es fehlt nämlich schwer das als Mutter nicht persönlich zu nehmen. Manchmal brachte es dann etwas ein wenig zu warten. Manchmal habe ich aber auch abgepumpt und mit der Flasche gefüttert. Ich hatte sogar einmal aus Verzweiflung das Stillhütchen herorgekramt. Damit ging es kurzzeitig wieder, aber nach der zweiten Stillmahlzeit war es dasselbe Spiel. Nur nachts ging es komischerweise immer. Da hilft dann wohl die Müdigkeit. 
Zum Glück war diese Phase irgendwann vorbei (ich glaube es waren ca. zwei Wochen). Und verhungert ist unsere Maus zu der Zeit auch nicht.

Die "Stillen ist langweilig"-Phase:
Manchmal ist Purzel das Stillen einfach nicht spannend genug. Da wird dann nebenbei an meiner Kleidung gezerrt und gerupft, der Reißverschluss meiner Jacke untersucht und mit den scharfen Fingernägeln ein Muster in meinen Oberarm geritzt. Eine zeitlang habe ich dann eine Kette umgelegt, an der sie spielen konnte oder ihr einfach meinen Zeigefinger zum "Kneten" angeboten.

Die kommunikative Phase:
Als Purzel das Plappern und Lächeln entdeckte (vielleicht so um die 12. Woche herum, so genau weiß ich es nicht mehr) sah sie den Stillvorgang als Mittel der Wahl um mit mir in Kontakt zu treten. Was wurde ich dabei angestrahlt. Wir haben richtige Diskussionen gefüttert: "Laalaaalla, Errrre, La" - "Achso, aha, und was ist dann passiert?" - Lallaalaalllaa, errrre, errre" usw.
Das war die ersten Tage noch furchtbar süß. Aber irgendwann war es auch nervig, weil dann nämlich wieder mal die Milch sonst wo hinlief und ich auch nicht wusste, ob Purzel satt war, wenn sie sich abdockte. Durch dann An- und Abdocken konnte sich so eine Stillmahlzeit locker von ursprünglich 10-15 min auf 30 min ausdehnen. Diese Phase konnte ich auch einfach nur aussitzen, war aber auch nicht wirklich schlimm.

Das "Wir sind nicht zu Hause"-Phänomen:
Mittlerweile traue ich mich, in der Öffentlichkeit zu stillen. Ich kann ja nicht alles zwischen die 2,5 bis 3 Stunden Abstand legen. Leider ist aber Purzel dabei meist nicht sehr kooperativ. Wenn wir nämlich woanders sind, und es vor allem noch eine gewisse Geräuschkulisse gibt, dann hat sie einfach keine Lust auf Stillen und macht das auch lauthals klar. Dann will sie lieber in der Gegend rumschauen. Ist aber auch nicht unbedingt zufrieden. Auch später erneutes Anlegen bringt nicht viel Besserung. Sie ist dann einfach zu irritiert. Meist hilft es dann einen ruhigen Raum aufzusuchen und es dort noch einmal zu probieren oder die andere Brust anzubieten (warum das hilft, weiß ich auch nicht). Aber auch nicht immer. Natürlich holt Purzel, das was ihr in der Zeit an Energiezufuhr verloren geht, hinterher nach (z.B. nachts *freu*).

Das "Frühmorgens muss ich erstmal alles erkunden"-Phänomen:
Kurz nach dem Aufstehen trinkt Purzel eher schlecht. Sie ist viel zu aufgekratzt und lässt sich von jedem kleinen Pups ablenken. Das ist dann auch die Phase, in der Mama als Sportgerät dient - Strampeln, Rücken durchdrücken, mit den Armen um sich schlagen. Wenn sie den Kopf um 180° drehen könnte, sie würde es tun. Hinter mir muss es einfach spannender sein - schon aus Prinzip. Ich versuche ihr dann zu erklären, dass sie doch erstmal einfach trinken soll und hinterher alle Zeit der Welt hat alles genau zu untersuchen. Das Argument zieht bei Ihr nicht.
Von diesem Phänomen gab es auch eine richtige Phase. Nämlich als sie mehr Reize wahrgenommen hat. Da lief dann jede Stillmahlzeit (manchmal sogar nachts) so ab.

Aber alles in allem läuft es ganz gut mit dem Stillen. Es ist ungemein praktisch, weil man nichts weiter mitnehmen muss und es geht schnell (bei der Flasche bräuchte Purzel locker doppelt so lang). Eigentlich hatte ich mir in der Schwangerschaft gedacht, ein halbes Jahr zu stillen und dann auf die Flasche umzusteigen. Aber momentan sehe ich keine Veranlassung, das zu tun.
Das schönste Stillerlebnis habe ich abends, wenn Purzel im Halbschlaf trinkt und ganz zärtlich ihre kleinen Fingerchen meine Hand streicheln oder sie ihr Händchen einfach auf meiner Hand ablegt. Da schmilzt mein Mamaherz dahin.

Trotz allem ist so eine Stillbeziehung ein fragiles Konstrukt - ein Kartenhaus, das beim kleinsten Windhauch zusammenstürzen kann. Warum? Ich vermute es liegt daran, dass es ein so emotional beladenes Thema ist. Eine Mutter muss (aus eigenem Antrieb oder von der Gesellschaft so gefordert) ihr Kind ernähren können und wenn das mal nicht klappt, fühlt frau sich wie ein Versager. Ich bin der Meinung, jede Mutter sollte für sich entscheiden dürfen, ob und wie sie stillt. Groß werden alle Kinder. Egal ob mit Muttermilch oder künstlicher Nahrung.

Euer Purzelbäumchen

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