Mittwoch, 5. Juni 2013

Schlechtes Gewissen

Noch so etwas, was einem keiner erzählt: Als (werdende) Mama gibt man sein Selbstvertrauen direkt mit dem ersten Urinpröbchen in der Frauenarztpraxis ab und nun bekomme ich das Gefühl, dass ich es auch die nächsten Jahre nicht zurückbekommen werden.
Dass die Schwangerschaft und das Leben mit einem Kind nicht spurlos an einem vorbei gehen, ist klar. Und dass man mitunter völlig ratlos vor dem kleinen Wesen steht, auch. Aber wer hätte gedacht, dass man eigentlich permanent ein schlechtes Gewissen hat? Wo ist das Vertrauen in meine Fähigkeiten und in mein Urteilsvermögen hin?

Beispiele gefällig? Mich plagt das schlechte Gewissen Purzel gegenüber, wenn
  • ich zu wenig mit ihr kuschel: So ein Säugling braucht ja ganz viel Nähe und darf eigentlich überhaupt nicht abgelegt werden und muss den ganzen Tag und die ganze Nacht bei Mama sein.
  • ich sie zu viel auf dem Arm habe / getragen habe: Das arme Kind wird ja ganz Mama-fixiert und lernt nicht selbständig zu werden. Es muss sich auch mal allein beschäftigen und seinen Bewegungsdrang ausleben können.
  • ich viel mit ihr unter Leuten bin: In einer fremden Umgebung sein, mit fremden Menschen, Lautstärke, vielen Eindrücken ist ja sehr anstrengend. Dann merke ich immer erst abends, ob es Purzel zu viel war.
  • ich mit ihr nur zu Hause bin: Ein Baby braucht andere soziale Kontakte, damit es ein soziales Wesen werden kann.
  • ich sie am Daumen nuckeln lasse: Oh Gott, der Kiefer verformt sich ganz schrecklich (Studie Nr. 1)
  • ich sie am Nuckel nuckeln lasse: Oh Gott, der Kiefer verformt sich ganz schrecklich (Studie Nr. 2).
Die Liste ambivalenter Gefühle und Meinungen ließe sich in dieser Art beliebig fortsetzen.  Ihr merkt, mein schlechtes Gewissen kann sich also permanent melden.

Der beste Katalysator für solche widersprüchlichen Meinungen ist das Internet. Speziell solche (Übermutter-)Foren wie urbia, netmoms usw. haben User, die sehr resolut ihre Ansichten vertreten. Erst kürzlich habe ich googlen wollen, wie ich meinem Baby das nächtliche Stillen abgewöhnen kann (auch ab welchem Alter). Andere Frauen hatten wohl die selbe Frage, wurden aber in den Foren dermaßen runtergemacht. O-Ton: "Wie kann man dem seinen Kind die Brust verweigern? Das ist unmenschlich. Wenn Du nicht alle zwei Stunden in der Nacht aufstehen willst, hättest Du gar nicht erst ein Kind bekommen dürfen." Puh ... Ich muss bei solchen Anfeindungen erstmal ganz schön schlucken. Aber die Solidarität der Mütter untereinander ist ein anderes Thema.

Ich habe mich ja nun mittlerweile schon gebessert und lese immer weniger in solchen Foren. Und ich habe auch das Glück, dass unser Kinderarzt sehr entspannt ist und meine Hebamme gedanklich ähnlich tickt wie ich. Sonst hätte ich wohl noch mehr Chaos im Kopf.
Übrigens beschränkt sich mein schlechtes Gewissen nicht nur auf Purzel. Nein, auch bei Purzelpapa meldet es sich (zum Beispiel als sich Purzel mal eine zeitlang nicht ohne Geschrei von ihm hochnehmen lassen wollte - siehe Anstrich Nr. 2). Ebenso der Haushalt, Sport und Hobbys wedeln oftmals mit erhobenem Zeigefinger. Und öfter bloggen will ich eigentlich auch.

Herrje. Wenn man drüber nachdenkt, kann man als Mama eigentlich nur alles falsch machen.
Andererseits kann man dann auch wieder sehr entspannt sein - wenn man es eh falsch macht, ist es doch eigentlich egal und somit schon wieder richtig.
Zum Glück habe ich meine Fähigkeit, bestechende logische Zusammenhänge erkennen zu können, nicht verloren.

Euer Purzelbäumchen

2 Kommentare:

  1. Hallo Purzelbäumchen!
    Toll geschrieben! :-) Wie man's macht, man macht's falsch! Du musst für dich halt den richtigen "Mittelweg" finden. Wenn du ihn gefunden hast - sag bescheid! :-)

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  2. ich finds immer so toll wie du den nagel auf den kopf triffst.
    ganz lieben dank dafür :*

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